In der Galerie
Martin Enderlein
Petra Flierl
Annette Gundermann
Kitty Kahane
Lorenz Kienzle
Núria Quevedo
Denise Richardt
Henry Stöcker
Simone Tippach-Schneider
Gefördert durch
Kooperationspartner des Projekts
Ein Ausstellungsprojekt der Reihe KUNST&KLANG
Flucht, Vertreibung und Exil gehören zur leidvollen Erfahrung von Generationen der Menschheitsgeschichte. Zur zentralen Erfahrung wurde sie weltweit besonders im 20. Jahrhundert und aktuell wachsen wieder Flüchtlingsströme, nicht nur in Europa. Wurden aus dem Dritten Reich demokratische Kunstschaffende systematisch vertrieben, ist Deutschland heute für viele Ausgegrenzte ein Sehnsuchts-ort. Diese Erfahrungen bilden die Grundlage für das mittlerweile fünfte Ausstellungsprojekt der Reihe Kunst & Klang unter dem Mot-to Drinnen & Draußen – Kunst, Musik und Literatur im Exil, das vom 28. Februar bis 6. April 2025 in der Galerie Amalienpark | Raum für Kunst, Berlin-Pankow stattfindet. In der Ausstellung werden Bilder, Grafiken, Zeichnungen, Fotografien und Skulpturen von neun Künstler*innen aus Berlin und Brandenburg gezeigt, die sich durch das Motto, d. h. durch Literatur, Kunst und Musik von Exilant*innen, u.a. von Kurt Weill und Ursula Mamlok, zu diesen Kunstwerken inspirieren ließen oder in ihren Kunstwerken ihren eigenen Exilerfahrungen Ausdruck verliehen haben.
Die sechswöchige Ausstellung umfasst darüber hinaus ein umfangreiches Begleitprogramm mit Konzerten, u.a. im Schloss Schönhau-sen und im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus, Lesungen, Vorträgen, Filmvorführungen und Gesprächsrunden mit hochkarätigen Gästen.
Zu Gast sind unter anderem das Arminio Streichquartett, die türkische Autorin und Aktivistin Nazli Karabiyikoglu und Andrej Herm-lin and his Swing Dance Orchestra.

Petra Flierl, »Igor Strawinsky«, 2024,
Öl auf Leinwand, 93 x 63 cm
Eröffnung
Freitag 28.2.2025, 19:30 Uhr
Laudatio:
Dr. Simone Tippach-Schneider, Kunstwissenschaftlerin
Musik:
Peter Ehwald, Saxofon

Dr. Simone Tippach-Schneider

Peter Ehwald
Foto: Dovile Sermokas
Veranstaltungen Termine
73. Waisenhausgespräch der Cajewitz-Stiftung
»Let it Swing«, Andrej Hermlin mit seinem Swing Dance Orchestra
Donnerstag, 6.3.2025, 19 Uhr
Berliner Str. 120, 13187 Berlin.
Eingang Hadlichstraße
Das weltweit gefeierte Orchester aus Berlin mit seinem exklusiven Big-Band-Sound in Anlehnung an die Blütezeit des Swing der 1930er/40er Jahre in den USA, wird ein Konzert im Betsaal des ehemaligen jüdischen Waisenhauses geben. Der Swing mit seinem vollen Klang, seinen tanzbaren Rhythmen, seiner Energie und seinem Optimismus entwickelte sich international zu einem der populärsten Subgenres des Jazz. Die überwiegend von David Hermlin geschriebenen Arrangements lehnen sich an den Klang der großen Swing-Orchester der Dreißigerjahre an und sind doch einzigartig. Das Swing Dance Orchestra ist damit weltweit die einzige authentische Swing Big Band ohne elektronische Verstärkung, die vollständig auf eigene Arrangements zurückgreift. Die historische und äs-thetische Dimension dieser Musik wird im Gespräch mit dem Bandleader Andrej Hermlin während des Konzerts beleuchtet.
Der Swing stand einst für ein afroamerikanisches Selbstbewusstsein gegen die weiße Unterdrückung und im Dritten Reich als gefürchtete Jugendkultur für den Widerstand gegen Gleichschaltung und militärischen Drill. So wurde zwangsläufig der lässige, raffinierte, heitere Swing als entartete Musik gebrandmarkt, obwohl gleichzeitig die Kulturmanager der Nationalsozialisten ihn lange Zeit zu Propagandan zwecken in ihren Auslandsprogrammen einsetzten. Im Reichsrundfunk dagegen wurde er ab 1935 nicht mehr gespielt, ab 1937 wurde das generelle Spielverbot von HJ und Polizei kontrolliert, später von der Gestapo: Schulverweise, Arreste, Verhaftungen. Diese Musik zu hören, war also nur noch im Geheimen und im Exil möglich.
Andrej Hermlin ist im kunstsinnigen Berliner Elternhaus des Dichters Stephan Hermlin und der russischen Germanistin Irina Belokowena aufgewachsen, begeisterte sich Andrej Hermlin schon sehr früh für den Swing der Jazzlegende Benny Goodman, erlernte mit sieben Jahren Klavier spielen, studierte an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und gründete 1987 das Swing Dance Or-chestra (damals: Swing Dance Band), das seit vielen Jahren zu den weltweit führenden Orchestern seiner Art zählt. Als Swinging Hermlins tritt das Orchester mit Frontsängerin Tochter Rachel und Sohn David (Gesang und Schlagzeug) auf, die mit großer Spielfreude und Showelementen gemeinsame Erfolge feiern. Andrej Hermlin lebt mit seiner Familie in Berlin-Pankow.
Eintritt frei

Foto: Uwe Hauth

Foto: Uwe Hauth

Foto: Uwe Hauth
Freitag, 7.3.2025, 19 Uhr
mit Dr. Simone Tippach-Schneider, Kunstwissenschaftlerin
zu den Werken der Ausstellung
»Kurt Weill – Von Dessau an den Broadway«
Dienstag, 11.3.22, 19 Uhr
Film von Anna Schmidt, 2020
Kaum einer hat den Rhythmus der 1920er Jahre, vielleicht des gesamten 20. Jahrhunderts so genau eingefangen, wie der 1900 in Dessau geborene Kurt Weill. Mit dem Weill-Kenner und Biografen Dr. Jürgen Schebera als Tour Guide macht sich Regisseur Sven Düfer auf die Suche nach den Lebensspuren des großen Komponisten.
Eintritt 6 Euro

»I am an American«
Feitag, 14.3.2025, 19 Uhr
Exil als ›Weg der Verheißung‹:
Der Komponist Kurt Weill (1900 – 1950)
Moderation: Marleen Hoffmann
Eintritt 8 Euro
Wer war Kurt Weill? Auf diese Frage fand der Weill-Forscher Kim Kowalke eine bündige Antwort: »Kurt Weill war ein deutsch-amerikanischer Komponist. Sein Leben deckt sich genau mit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: 1900 in Dessau geboren, gestorben in 1950 in New York. Seine Karriere dauerte 30 Jahre, von 1920 bis 1950, davon verbrachte er jeweils die Hälfte, je 15 Jahre, in Europa und Amerika. Er war ein echter Weltbürger und sicherlich der wichtigste Bühnenkomponist in der internationalen Szene von 1925 bis 1950. Weill war einzigartig, er hat die Theaterszene seiner Zeit geprägt, in drei Sprachen geschrieben und auf beiden Seiten des Atlantiks Erfolg gehabt.«
Bereits ab 1930 waren Aufführungen Weillscher Werke in Deutschland von nationalsozialistischen Attacken überschattet. Nur zwei Monate nach der Machtergreifung Hitlers flieht Weill Hals über Kopf – am 21. Januar 1933, dem Tag von Potsdam – aus Berlin. Am 23. März trifft er in Paris ein, wo er mit Unterbrechungen bis 1935 lebte. Die Produktion des Bibeldramas Der Weg der Verheißung bietet den Anlass zu einer Reise in die USA, nicht die Absicht einer Emigration: Am 4. September 1935 schifft er sich, in Begleitung seiner Ex-Frau Lotte Lenja, in Cherbourg mit dem Ziel New York ein. Weill und Lenja fühlten sich zur ihrer eigenen Überraschung von Anfang an dort so wohl, dass sie die Vereinigten Staaten bald als ihre Heimat ansahen. 1943 wurde Weill amerikanischer Staatsbürger. Weill selbst empfand lediglich die Etappe Paris als unterbrechende Exilstation, während er zwischen seinen Jahren in Deutsch-land und den USA eine Kontinuität konstruierte. Und in einem Interview im Jahre 1944 sagte er: »Wenn ich auf eine einsame Insel verschlagen würde, so hätte ich niemals Heimweh nach Berlin, Dessau oder Lüdenscheid. Heimweh hätte ich nach dem Drugstore von New City«.
Vor dem Hintergrund seines musikalischen Schaffens, seinen Reflexionen zum Thema Exil und Vertreibung sowie seiner Poetik wird der Vortrag verdeutlichen, welche Facetten das Exils als geistige Lebensform nicht nur für Weill selbst, sondern auch für die Rezeption seiner Werke hatte.
Prof. em. Dr. Andreas Eichhorn, Universität zu Köl
Andreas Eichhorn war bis 2023 Professor für Musikwissenschaft am Department Kunst/Musik an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln.
Seine Forschungsgebiete bilden, die Musik des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere die Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy, Leonard Bernstein und Kurt Weill. Weiterhin beschäftigen ihn die Interpretations- und Rezeptionsforschung. Er edierte im Rahmen der Kurt Weill Edition den Band „Music with Solo Violin“, das Konzert für Violine und Blasorchester op. 12 und die Kanta-te Der neue Orpheus op. 16. 2022 erschien weitere Publikation zu Kurt Weill: 365 Tage mit Kurt Weill. Ein Almanach (Olms Verlag)

Andreas Eichhorn

Dr. Marleen Hoffmann
»Geht die Sonne noch nicht unter – Wird der Himmel nicht bald rot«
Dienstag, 18.03.2025, 19 Uhr
Die türkische Autorin und Aktivistin Nazli Karabiyikoglu im Gespräch mit Marleen Hoffmann.
Lesung der deutschen Texte:
Elke Koepping, Sprecherin, Redakteurin
Eintritt 10 Euro
Das vom P.E.N.-Zentrum initiierte Writers-in-Exile-Programm, das seit 1999 verfolgten Autor*innen Zuflucht in deutschen Städten ermöglicht, ist eine Antwort auf die steigende Zahl an Schriftsteller*innen und Journalist*innen, die vor Verfolgung und Todesdrohungen fliehen müssen. Ziel der Initiative ist es, ihnen ein freies Leben und Schaffen in Deutschland zu ermöglichen und die Gelegenheit zu bieten, ihr Werk in öffentlichen Lesungen und Diskussionsveranstaltungen dem deutschen Publikum vorzustellen.
Nazli Karabiyikoglu wurde 1986 in Ankara geboren. An der durch den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan aktuell unter Druck stehenden Eliteuniversität Bogaziçi studierte Karabiyikoglu türkische Sprache und Literatur und veröffentlichte inzwischen fünf Bücher, vier Erzählbände und einen Roman, für die sie in der Türkei mit sechs Preisen ausgezeichnet wurde. Aufgrund der politischen und geschlechterspezifischen Unterdrückung in der Türkei entschied sie sich, die türkische #Metoo-Bewegung voranzutreiben und sich innerhalb der türkischen Verlagsindustrie für politische Minderheiten einzusetzen.

Nazli Karabiyikoglu

Elke Koepping
Foto: Sarah Johanna Eick
»Die Heimatlosen – Schriftsteller*innen im Exil«
Freitag, 21.3.2025, 19 Uhr
Monika Lennartz, Schauspielerin
Raphael Dwinger, Schauspieler
Uli Kempendorff, Saxofon
Moderation: Simone Tippach-Schneider, Annette Gundermann
Eintritt 10 Euro
Die Liste der deutschsprachigen Exilant*innen ist groß und hinter jeder Biografie verbirgt sich ein eigenes Schicksal: Berthold Brecht, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann, Thomas Mann, Franz Werfel, Alma Maria Mahler-Werfel und Leonard Frank fanden Exil in den USA. Stefan Zweig, Günther Ballhausen und Susanne Bach suchten zeitweise Zuflucht in Brasilien, Walter Janka, Richard Katz, Anna Seghers und Egon Erwin Kisch in Mexiko. Der Abend stellt in einer kurzen Einführung zum/r jeweiligen Autor*in verschiedene literarische Positionen vor.
Monika Lennartz, 1938 in Stettin, Pommern geboren, ist Schauspielerin. Sie
wuchs in Waltershausen/Thüringen auf. Ihre Schauspielausbildung absolvierte sie von 1956 bis 1959 an der Filmhochschule Potsdam. Bereits während des Studiums spielte sie erste Rollen bei der DEFA. Nach Theaterengagements in Potsdam und Senftenberg hatte sie ein langjähriges Engagement am Berliner Maxim-Gorki-Theater. Lennartz arbeitet seit 1958 auch für Film und Fernsehen. Einem breiterenPublikum wurde sie zwischen 2007 und 2020 als Luise Brenner in der FernsehserieIn aller Freundschaft bekannt sowie für Insel der Schwäne (1983), Ein verborgenesLeben (2019) und Nicht im Traum (2018).
Raphael Dwinger, 1986 geboren in München. Erste Bühnenerfahrung bereits mit 15 Jahren auf der Werkraum-Bühne der Münchener Kammerspiele. 2010 – 2013 Schauspielstudium an der Folkwang Universität der Künste in Essen/Bochum. 2014 – 2017 Mitglied des Berliner Ensembles und Zusammenarbeit mit Regisseur*innen wie Claus Peymann, Robert Wilson, Manfred Karge, Franz Wittenbrink, Katharina Thalbach und Leander Haußmann. Diverse Rollen am Theater und Mitwirkung in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen.
Uli Kempendorff, 1981 geboren in Berlin. 2000 – 2004 Studium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und 2006/2007 am City College of New York. Er wohnt mit seiner Familie in Berlin-Pankow.
Monika Lennartz, 1938 geboren in Stettin. Aufgewachsen in Waltershausen in Thüringen. 1956 – 1959 Studium an der Filmhochschule Potsdam. Erste Bühnenerfahrungen in Potsdam und Senftenberg. 1962 Engagement am Maxim-Gorki-Theater. Weitere Engagements an allen wichtigen Bühnen Berlins sowie im Film und Fernsehen. 1982 Goethe-Preis der Stadt Berlin. 2012 Max Ophüls Kurzfilmpreis.

Monika Lennartz

Raphael Dwingewr
Foto: Lily Erlinger

Uli Kempendorff
Foto: Gerhard Richter
»Exil im Museum?
Das Exilmuseum!«
Dienstag, 25.3.2025, 19 Uhr
Gespräch mit Sarah Blendin,
wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Exilmuseum Berlin
Moderation: Monika Wellershaus
Eintritt 8 Euro
»Was das Exil im Innersten bedeutet – und es ist ja letztlich so etwas wie Verlust der Lebensmitte, des Lebenszusammenhangs –, das hat mich niemand gefragt und auch kein Mensch je sich dafür entschuldigt. Nun soll endlich so ein Ort entstehen, wo diese Frage gefragt, diese Entschuldigungen ausgesprochen werden sollen…« (Zitat Georg Stephan Troller, Journalist und Filmemacher, 1938 geflohen)
Dieser Ort wird in Berlins Mitte entstehen: das Exilmuseum, ein würdiger Neubau in Bezug und direkt hinter der Ruine des Eingangsportals vom einst riesigen Anhalter Bahnhof. Von dort aus sind hunderttausende Verfolgte des NS-Regimes ins Exil gezwungen worden, mit dem Zug ins Ungewisse, wie Klaus und Heinrich Mann, Alfred Döblin und Max Reinhardt… Das künftige Exilmuseum soll 2028 als erster zentraler Standort in Deutschland, der die elementaren Erfahrungen Betroffener im Exil zwischen 1933 und 1945 dokumentiert und sich gleichzeitig als Diskussions- und Echoraum mit Deutschland als heutigem Zufluchtsort auseinandersetzt, er-öffnet werden.
Flucht, Vertreibung und Exil gehören von Anbeginn zur Menschheitsgeschichte. Doch gerade im 20. Jahrhundert wurden sie zur zentralen Erfahrung und die Flüchtlingsströme und Emigrationszahlen nehmen seit ein paar Jahren erneut rapide zu. Wie wurden und werden Kreativität und Identität von Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Schriftsteller*innen davon geprägt? Was können in diesem Kontext neue kulturelle Erfahrungen bewirken? Ideen, Inhalte, Architektur und Perspektiven des Exilmuseums werden in einem multimedialen Gespräch mit der leitenden wissenschaftlichen Mitarbeiterin Sarah Blendin ausgelotet.
Sarah Blendin, M.A. ist leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin des Exilmuseums. Die Literaturwissenschaftlerin ist seit 2008 als Projektleiterin und Content Designerin im Bereich der Kunst- und Wissensvermittlung tätig. 2016 wirkte sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ausstellung über Harry Graf Kessler in der Stiftung Brandenburger Tor mit.

Saraj Blendin
»Einmal von Berlin über Ecuador in die USA und zurück«
Freitag, 28.3.2025, 19 Uhr
Komponistin Ursula Mamlok (1923 – 2016)
Terzianum, 2006, für Flöte und Violine – Gespräch
Sintra, 1969, für Altflöte und Violoncello – Gespräch
From My Garden, 1983, für Violine – Gespräch
Music for Stony Brook, 1989, für (Alt-)Flöte, Violine und Violoncello
Upama Muckensturm, Flöte
Clemens Linder, Violine,
Adele Bitte, Violoncello
Gespräch mit Bettina Brand und Marleen Hoffmann
Eintritt 10 Euro
Die Komponistin Ursula Mamlok (1923 – 2016) wurde in Berlin geboren. Aufgrund ihrer jüdischen Abstammung von den Nationalsozialisten verfolgt verließ sie gemeinsam mit ihren Eltern Berlin und flüchtete 1939 nach Ecuador. 1940 bekam sie ein Stipendium an der Mannes School of Music und ging als Siebzehnjährige allein nach New York. Sie studierte in den folgenden Jahren Komposition. Als Professorin für Komposition an der Manhattan School of Music avancierte sie zu einer der bedeutendsten Komponistinnen der USA. 2006 kehrte Ursula Mamlok in ihre Geburtsstadt Berlin zurück. Es gelang ihr mit 83 Jahren noch einmal ein Neustart mit zahlreichen Konzerten europaweit, CD‑, Rundfunk- und Fernsehproduktionen, der Veröffentlichung ihrer Biografie Time in Flux – Die Komponistin Ursula Mamlok und des Dokumentarfilms Ursula Mamlok Movements. Mamloks Œuvre umfasst etwa 75 Kompositionen, darunter Orchesterwerke, zahlreiche kammermusikalische Werke, Chorwerke, Werke für Soloinstrumente, ein elektronisches Werk sowie Unterrichtsmaterialien.
Mit einem kurzen Dokumentarfilm und einem Gesprächskonzert wird Ursula Mamlok als Komponistin vorgestellt. Im Gespräch werden Mamloks Lebensstationen erläutert, insbesondere ihre musikalische Ausbildung in ihrer Heimat und im Exil, ihre Erfolgen während ihrer Laufbahn in den USA und ihre Rückkehr in ihre Geburtsstadt nach 66 Jahren. Außerdem werden Fragen nach alten und neuen Verbindungen ins Musikleben zu exilierten und einheimischen Musiker*innen diskutiert, über die Prägung ihres Musikstils durch die Heimat und das Exilland sowie über ihre sozialen und emotionalen Strategien der Anpassung ans Exil und der gleichzeitigen Bewahrung der Verbindung zur Heimat. Die ausgewählten kammermusikalischen Werke, die von Musiker*innen des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin zum Klingen gebracht werden, spiegeln auch musikalisch Mamloks verschiedene Lebensstationen wider.
Clemens Linder geboren in Vorarlberg, studierte bei Maria Kikel, Klara Flieder und Ernst Kovacic in Wien. Er gewann den Ersten Preis beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert, den Förderpreis der Wiener Symphoniker und erhielt den Würdigungspreis des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Er konzertierte in solistischen und kammermusikalischen Programmen mit Musikern wie Ernst Kovacic, Thomas Larcher, Valentin Erben, Jörg Widmann und dem Hartog Quartett. Seit 2002 ist er Mitglied des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin als Vorspieler in der Gruppe der Zweiten Violinen. Neben seiner Orchestertätigkeit ist er seit 2004 Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Im Herbst 2023 erschien die CD „Music of Ursula Mamlok vol. 6“ unter seiner Mitwirkung.
Adele Bitter war Jungstudentin der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Sie erwarb ihr Konzertexamen mit Auszeichnung bei Josef Schwab an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Ergänzende Studien belegte sie bei Lee Fiser (LaSalle Quartet) in Cincinnati/USA und erhielt das Diplom des Internationalen Musikwettbewerbs Markneukirchen. Seit 2001 ist Adele Bitter Vorspielerin im Deutschen Symphonie-Orchester Berlin. Solokonzerte spielte sie mit den Berliner Sinfonikern u.a. Mit Mitgliedern des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin gründete sie das Adamello Quartett. Darüber hinaus hat sie eine Ausbildung im Fach Historische Aufführungspraxis/Barockvioloncello an der Schola Cantorum Basiliensis absolviert. Ihr Interesse für zeitgenössische Musik sowie das Engagement für die Werke verfolgter und ins Exil getriebener Komponisten gipfelte im Jahr 2017 in der Gesamteinspielung der Werke für Violoncello solo von Isang Yun mit Holger Groschopp, Klavier. Die mit Holger Groschopp und Mischa Meyer entstandene Gesamtaufnahme der Werke von Simon Laks für Cello bzw. Celli und Klavier wurde 2023 mit dem Opus Klassik ausgezeichnet. Im Herbst 2023 erschien die CD „Music of Ursula Mamlok vol. 6“ unter ihrer Mitwirkung.
Upama Muckensturm erhielt Ihren ersten Flötenunterricht in Ihrer Heimatstadt Colmar (Frankreich). Ihre Ausbildung im Fach Flöte, Kammermusik und Pädagogik schloss sie mit Auszeichnung am Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse de Paris in der Klasse von Sophie Cherrier und Vincent Lucas ab. Von 2016 bis 2018 war sie Stipendiatin der Herbert-von-Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker, wo sie u. a. von Emmanuel Pahud und Egor Egorkin unterrichtet wurde. Neben Ihrer Beschäftigung als Orchestermusikerin spielt Muckensturm regelmäßig mit renommierten Ensembles wie dem Scharoun Ensemble und der Kammerakademie Potsdam. Seit März 2018 ist sie Mitglied des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin. Im Herbst 2023 erschien die CD „Music of Ursula Mamlok vol. 6“ unter ihrer Mitwirkung.
Bettina Brand, Rundfunkautorin, Kulturmanagerin. Studium der Germanistik und Musikwissenschaft (Magister) in Marburg und Freiburg/Breisgau. Seit 1983 Rundfunkautorin mit den Schwerpunkten: Neue Musik, Musiker*innenportraits, Musik der Welt und Organisation und Moderation von Musikprojekten und Festivals. Seit 1993 im Vorstand von musica reanimata – Förderverein zur Wiederentdeckung vom Nationalsozialismus verfolgter Komponist*innen. 2006 – 2016 Agentin und musikwissenschaftliche Beraterin der Komponistin Ursula Mamlok. Seit 2017 Geschäftsführung der Dwight und Ursula Mamlok-Stiftung.

Ursula Mamlok
Foto: Simon Pauly (Ausschnitt)

Upama Muckensturm
Foto: Mathias Donderer

Clemens Linder

Adele Bitter
Foto: Frank Eidel

Bettina Brand
»Núria Quevedo –
Berlinerin aus Barcelona«
Dienstag, 1.4.2025, 19 Uhr
Regie: Karlheinz Mund, 2003
Moderation: Annette Gundermann
Eintritt 6 Euro
Ein Porträt der spanischen Malerin und Grafikerin Núria Quevedo. Als Tochter spanischer Einwanderer kam Quevedo 1952 als Teenager in die DDR. Die Sehnsucht nach der Heimat ihrer Kindheit ließ sie nie los. Nachdem Quevedo Fotos und Filmmaterial spanischer Einwanderer in Dresden gesehen hatte, schuf sie 1970 – 71 ihr berühmtes Gemälde 30 Jahre Exil. Der Stil des Gemäldes – der Fokus auf bewegungslosen, melancholischen Gesichtern und in einer monochromen Farbgebung – provozierte ostdeutsche Kritiker; aber für Quevedo erinnerte es an traditionelle spanische Malstile.
In diesem Film kehrt die Künstlerin zu Orten ihrer Kindheit in Spanien zurück und spricht über Exil und Heimatlosigkeit – Themen, die sie in Gemälden und Zeichnungen darstellt. Dieser filmische Essay von Karlheinz Mund, Quevedos Ehemann, stellt somit die Reise des im Exil lebenden Künstlers zwischen zwei Welten dar. Quevedo, die seit der deutschen Einheit in Deutschland und Spanien lebt, findet ihre aktuellen Themen in der spanischen Landschaft sowie in der Literatur von Christa Wolf, Fritz Rudolf Fries, Franz Fühmann und Bertolt Brecht.

Núria Quevedo
Foto: Helga Paris
»Das Akkordeon im Gepäck«
Cathrin Pfeifer, Akkordeon
Freitag, 4.4.2025, 19 Uhr
Als tragbares Instrument wurde es oft in die neue Heimat mitgenommen und war so auch ein Symbol der Hoffnung und gleichzeitig Träger der Erinnerung.
Moderation: Annette Gundermann
Eintritt 10 Euro
Cathrin Pfeifffer arrangiert Eigenkompositionen unglaublich vielseitig mit Musik fremder Kulturkreise und unterschiedlichster Zeitepochen. Durch ihre langjährigen Erfahrungen mit diversen Musikgenres, die sie in verschiedenen Ländern der Welt aufgesaugt hat, sind ihre Eigenkompositionen geprägt durch einen ganz eigenen unverwechselbaren Stil. Die Akkordeonspielerin besticht mit großem Reichtum an musikalischen Gedanken, von meditativer Nachdenklichkeit bis hin zu rhythmisch akzentuierter Ausgelassenheit und virtuos gestalteter Klangfülle. In dem Konzert wird sie einen Streifzug durch die musikalische Geschichte des Exils bis in die heutige Zeit präsentieren mit Bezügen zu Hanns Eisler, Kurt Weill und anderen.

Cathrin Pfeiffer
Konzertmatinee »Aufbruch in die Fremde«
Arminio Streichquartett
Sonntag, 6.4.2025, 11 Uhr
Tschaikowskistraße 1, 13156 Berlin
Antonín Dvořák (1841 – 1904) Quartett F‑Dur op. 96
Amerikanisches Quartett (1893)
Ursula Mamlok (1923 – 2016)
Streichquartett Nr. 1 (1962)
Paul Ben-Haim (1897 – 1984)
Streichquartett Nr. 1, op. 21 (1937)
Julia Parusch, Violine /Johanneke Haverkate, Violine
Friedemann Jörns, Viola /Max Gundermann, Cello
www.arminioquartett.de
Moderation: Annette Gundermann
Eintritt 12 Euro
Das Hauptwerk des Programms bildet das erste Streichquartett des israelischen Komponisten Paul Ben-Haim, der 1897 als Paul Frankenburger in München geboren worden war. Sein Streichquartett op. 21 entstand vier Jahre nach der Flucht vor dem NS-Régime in seiner neuen Heimat Palästina. Ben-Haims Musik zeichnet aus, dass sie sowohl in der deutschen romantischen Tradition verwurzelt ist, sich zudem stilistisch an dem französischen Impressionismus orientiert, aber darüber hinaus unverkennbar Einflüsse der jüdischen Liedkultur verarbeitet.
Als weiteres Werk erklingt das erste Streichquartett der 2016 in Berlin verstorbenen deutsch-US-amerikanischen Komponistin Ursula Mamlok. Als Jüdin verließ Mamlok – hier bildet sich trotz der unterschiedlichen Lebensphasen die Parallele zu Ben-Haim – ihre Heimatstadt Berlin und wanderte mit der Zwischenstadion Ecuador in die Vereinigten Staaten von Amerika aus, wo sie als junge Frau ihre Ausbildung zur Komponistin erfuhr. Mamloks modernistischer Individualstil bildet einen konstruktiven Kontrast zur mediterranen Tonsprache Paul Ben-Haims.
Eröffnet wird das Konzert mit dem Amerikanischen Quartett von Antonín Dvořák. Dieser musikalische Meilenstein der Quartett-Literatur entstand – wie der Name es schon nahelegt – während des zweieinhalbjährigen Aufenthalts des böhmischen Komponisten in den Vereinigten Staaten. Dvořáks Einreise war natürlich keineswegs durch Flucht oder Verbannung bedingt, ganz im Gegenteil nahm er die reizvolle wie finanziell lukrative Einladung an, die amerikanische Musikwelt bei der Entwicklung einer emanzipierten Identität in der Kunstmusik zu unterstützen. Gleichwohl war Dvořáks Aufenthalt stets von ambivalenten Gefühlen geprägt, wobei sich die Inspiration durch die Größe, die Dynamik und die Natur des unbekannten Landes mit der Sehnsucht nach der Böhmischen Heimat vermischte. Das Amerikanische Quartett ist ein einzigartiges musikalisches Monument für diesen Prozess.


Arminio Quartett
Vorstellung der Künstlerinnen und Künstler
Martin Enderlein

»Abschied im Morgengrauen« –
Gedanken zu den spätromatischen Vorstellungen Moritz von Schwinds
Über die politischen Verhältnisse verärgert schreibt Schwind »… ist es sehr angenehm, sich in Ideen früherer hoffnungsvoller Tage zu versetzen und indem man frühere Ideen neu aufnimmt und zur Vollendung bringt …«
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Unzufrieden mit bestehenden Verhältnissen wirtschaftlicher wie auch politischer Art wird Exil zu innerer Emigration: »… ich kann zu meiner Reise nicht wählen mit der Zeit, muß selbst den Weg mir weisen in dieser Dunkelheit.« (aus der Winterreise)
Übernommen habe ich die Figur des romantischen Wanderers, der zeitlos erscheint schon durch seine äußere Erscheinung. Übergroß vor der Weite einer Landschaft soll ich als Betrachter mit auf die Reise genommen werden.
Der französische Maler Théodore Géricault erhält 1816 Bericht über den tragischen Schiffbruch der Fregatte »Meduse«. Von 149 Passagieren überleben 15 die dramatischen Ereignisse auf hoher See. Über 12 Tage erleiden die Reisenden Hunger, Durst, Meuterei und Ausschreitungen. Schonungslos, fast dokumentarisch erfasst Géricault den Eindruck drastisch geschundener Körper. Resignation, Verzweiflung und Tod zeichnen die wenigen Überlebenden aus. Unter »Zuflucht« findet man im »Deutschen Wortschatz« u. a. Rettungsboot, Strohhalm, Hafen, aber auch Asyl, der Staat und Schutzraum. Assoziationen sind hier von großer Aktualität. Dargestellt sind bei mir Szenen der Katastrophe. Die einzelnen Arbeiten stehen für Hoffnung, Angst und Furcht. Fragmentarisch ist die Art der Darstellung, und der jeweilige Bildraum wird bewusst offengehalten.
Martin Enderlein
Petra Flierl

Exil = in der Fremde weilend, verbannt, bezeichnet die Abwesenheit eines Menschen oder einer Volksgruppe von der eigenen Heimat, aufgrund von Ausweisung, Verbannung, Vertreibung, Ausbürgerung, Zwangsumsiedlung, religiöser oder politischer Verfolgung. Da das Exil typischerweise auf Unfreiwilligkeit beruht, empfinden Exilanten ihren Zustand meist als unerwünscht und bedrückend.
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Sie streben daher in der Regel eine baldige Rückkehr ins Heimatland an, sobald der ursprüngliche Grund für den Gang ins Exil beseitigt ist, etwa durch einen Regierungswechsel
Stravinsky, Weill, Feuchtwanger und Bunuel…sind Beispiele von Exilanten die ich portraitiert habe.
Petra Flierl
Annette Gundermann

Foto: Bernd Petrikat
Um mich emotional dem Thema Exil zu widmen, habe ich mich erneut Hilde Domin (2000÷2021) zugewandt. Als Tochter jüdischer Eltern, in Heidelberg geboren, studierte erst in Köln später in Berlin. Dort wohnte sie 1930 einer Rede von Adolf Hitler bei, las dann Mein Kampf und hatte schnell die Erkenntnis aus Deutschland wegzugehen.
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Mit Erwin Walter Palm, einem jüdischen Archilogiestudenten gingen sie beide nach Rom um ein Auslandsstudium zu beginnen. 1933, nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler wurde dieser Schritt zur ersten Exilstation.
Nach der Heirat im Jahr 1936, mussten sie 1938 Italien verlassen, da die Rassengesetze einen weiteren Aufenthalt in Italien verhinderte. Über Paris führte sie Flucht nach Großbritannien. Am selben Tag wie Stefan Zweig, 1940, verließen sie England und gelangten über Kanada in die Dominikanische Republik. Nach 22 Jahren Exil, 1954 kehrten sie nach Deutschland zurück. 1946 veröffentlichte sie erste Gedicht unter dem Pseudonym Domin, nach dem Namen des Inselstaates.
Meine großformatigen vier Arbeiten auf Papier ist als eine Reihe angelegt.
Berlin, dunkel neblig verhangen symbolisiert das schwarze Berlin. Die römische Attitüde ist freundlich, eine Parklandschaft in der man gerne verweilen möchte – noch voller Hoffnung.
Ein starkes Blau. London ist wieder dunkel, bedrohlich, steht die nächste Flucht schon im Raum? Die letzte Station ist gleich einem Paradies – hell, mit enormer Weite, einem kleinem blauem See. Exotische Pflanzen.
Annette Gundermann
Kitty Kahane

Foto: Maximilian Gödecke
Doris Kahane emigrierte 1933 mit 13 Jahren nach Barcelona. Bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges schlägt sich Doris in Paris durch. Sie besucht eine Kunstschule und jobbt als Putzfrau, unter anderem bei Walter Benjamin. 1940 flieht sie nach Südfrankreich und lebt dort illegal. Durch Verrat wird sie 1944 von der Gestapo verhaftet und in das Lager Drancy gebracht. Im Lager hat sie sich um etwa 300 Kinder gekümmert, die mit einem der letzten Transporte nach Auschwitz gebracht wurden. Sie überlebt, kehrt nach Berlin zurück und studiert Malerei.
Kitty Kahane
Lorenz Kienzle

Foto: Tanja Marotzke
Wo Marta schwimmen ging
Mit der Idee, dem Leben von Alfred Döblin im Exil photographisch nachzuspüren, wurde ich 2024 Stipendiat der Villa Aurora in LA. Die Stadt zu erkunden, wurde für 3 Monate zu meinem Alltag. Unterhalb der Villa entdeckte ich den Sunset Point, einen beliebten Surfstrand, wo Marta Feuchtwanger bis ins hohe Alter schwimmen ging.
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Im Hafenviertel San Pedro suchte ich Filmlocations auf, die sich mir eingeprägt hatten. Zufälle und die Unterstützung durch VA und TMH öffneten mir die Türen ehemaliger Häuser emigrierter deutsch-österreichischer Schriftsteller und Künstler. Ich erkundete deren Wohnviertel, stieg zu Fuß in die Hollywood Hills und suchte Ölfelder auf, die Döblin und Brecht so oft erwähnten. Alles wurde real.
Lorenz Kienzle
Núria Quevedo

Foto: Helga Paris
Geheimnisvoll ist diese Bildsprache noch immer. Sie lässt sich nicht ganz ergründen, nicht gültig erklären. Das ist heute nicht anders als damals, zu Zeiten der DDR. Núria Quevedo war und bleibt eine Malerin des Auf-sich-Zurückgeworfen-Seins.
In ihren expressiven, fast monochromen Profilköpfen mit den schwarzen Loch-Augen und den übergroßen, ins Leere greifenden Händen, diesen wie aus Vulkangestein geschälten, abstrahierten Gliederpuppen vor kaltem Licht oder düsterem Bildgrund steckt eine uralte menschliche Tragödie: Exil.
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Einsamkeit. Bildhaft weitergeschrieben von einer Nachfahrin des Sonderlings Don Quijote, Miguel de Cervantes‹ ›Ritter von der traurigen Gestalt‹
Ingeborg Ruthe, Berliner Zeitung, 3.12.2022, Retrospektive der Werke von Nuria Quevedo in Frankfurt/Oder
Heimat im Unterwegs, auf Expedition im eigenen Leben? Das Philosophische zieht sich durch ihr Werk der letzten sechzig Jahre, ebenso wie das poetische Movens, wie es vor allem auch aus der spanischen Literatur erwächst. Aber man kann auch Kleists »Allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Sprechen« darin erkennen, was soviel heißt wie: Was ist, existiert nur als Moment des Werdens…
Das Exil in der DDR sei für sie eine wichtige, bereichernde Erfahrung gewesen. Und irgendwann hörte es vielleicht auf Exil zu sein. Erfahrungen solcher Übergänge sind bereits Bewusstmachungen des Erlebten: »Selbst der Schmerz der Trennung und des Verlusts ist unverzichtbar, um zu wissen, dass wir lebendig sind. Der Verlust jener Dinge, die uns so selbstverständlich angehören, dass wir sie kaum zu schätzen wussten, lässt uns ihren Wert erkennen.«
Gunnar Decker, ND, 2023, Retrospektive der Werke von Nuria Quevedo in Frankfurt/Oder
Ingenorg Ruthe
Denise Richardt

Die Erfahrung von Fremde stellt immer die Frage nach der eigenen Identität. Zwischen Hoffnung und Verzweiflung durchläuft der Exilant/die Exilantin einen Prozess der Selbstbefragung, der Selbstbehauptung, aber auch der Veränderung und Neubestimmung. Das Ich wird zum zeitweiligen Mittelpunkt einer neuen äußeren und inneren Welt.
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Exil, ganz gleich aus welchen Gründen, stellt eine existenzielle Erfahrung dar, die, so individuell und leidvoll sie ist, auch Bestes hervorbringen kann: Stärke der Imagination, Kraft der Erinnerung, Sensibilität, Tiefe.
Kunst ist Halt, Hoffnung, Heimat. Exilierte und Künstler haben in ihrer Suche Einiges gemein.
Meine beiden Arbeiten kreisen um das Erleben von Fremde und Nähe. Sie sind ein Gegensatzpaar: Leere, Strukturlosigkeit, Verschiebung und Neuordnung (Arconero) stehen gegen das Bekannte und Vertraute als ihr mögliches Gegenteil (Hinter Goethes Haus).
Wichtigstes Medium ist hierbei die Farbe. Musikalisch aufgefasst als Ausdruck von Klang und Stimmung, in ihrem Vortrag das ganze Spektrum der Tonalität und Materialität suchend, ist sie für mich sowohl kostbares Instrument als auch eigenes Thema.
Denise Richardt
Henry Stöcker

Die menschliche Existenz in Raum und Zeit
Meine Arbeiten umkreisen fast immer existenzielle Themen wie Krieg, Gewalt und Einsamkeit. Das menschliche Dasein mit seiner Verletzbarkeit, das Verhältnis von Gesellschaft und Individuum stehen im Mittelpunkt meiner künstlerischen Arbeit.
Mit den Mitteln der Abstraktion wende ich mich einer menschlich-assoziativen Figürlichkeit zu. Dabei spiele ich sowohl mit technischen als auch mit organischen Formen. Poesie, Humor und Ästhetik verschmelzen zu überraschenden plastischen Metaphern, die gerade auch in den aktuellen gesamtweltlich verunsichernden Zeiten mit unübersehbaren Migrationszwängen und Exilproblemen, eine deutliche Ansprache suchen.
Henry Stöcker
Simone Tippach-Schneider

Der Schwan im Exil
Vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten lebten und arbeiteten Fotografinnen, wie Gisèle Freund, Lore Ottilie Krüger oder Ellen Auerbach in großen deutschen Städten wie Berlin oder Magdeburg. Sie hatten mit großer Neugierde und emotionalen Blick auf die Stadt und ihren Menschen einen eigenen professionellen Stil entwickelt. Mit der Emigration aus Deutschland erfuhr ihre Tätigkeit zunächst einen radikalen Bruch bis sie sich im Exil wieder ein Standbein schufen und ihre moderne und universelle Bildsprache in die Gegenwart transformierten.
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Ausgehend von der Gewissheit, dass dieses fotografische Erbe den eigenen Blick auf die Welt und insbesondere auf die Stadt Berlin beeinflusst, habe ich mich gemeinsam mit Baudelaires Schwan auf fotografische Spurensuche begeben und den Protagonistinnen angenähert. Der Schriftsteller Charles Baudelaire gestand 1859 der Fotografie eine prominente Rolle beim Aufbau der „Archive unseres Gedächtnisses“ zu und zielte damit auf das Verschwinden des alten Stadtkerns von Paris. In seinem Gedicht „Le Cygne“ entflieht der Schwan auf der Suche nach dem Wasser der Menagerie, irrt wie eine mythische Gestalt durch die Straßen und findet nur Staub auf den Bürgersteigen. Der Schwan wird zur Denkfigur für Exil, Abwesenheit und Verlust.